Wie Sie vielleicht schon wissen, bereitet der BGL mit seinen Kooperationspartnern (Rechtsdienstleister Truck ReClaim und den Kanzleien Hausfeld und Kapellmann)
Das Coronavirus (COVID-19) füllt derzeit nicht nur die Medienwelt, sondern hat auch erheblichen Einfluss auf den internationalen Handel und somit auch auf den Logistikbereich.
Dies möchten wir zum Anlass nehmen, zum Umfang des Versicherungsschutzes in der Verkehrshaftungsversicherung, in der KRAVAG-Logistic-Police (KLP), sowie in der Speditions-Güterversicherung (SGP) in Bezug auf mögliche Schadenszenarien Stellung zu nehmen:
Der Ausbruch und die Verbreitung des Coronavirus haben erhebliche Auswirkungen auf den logistischen Ablauf und somit auch auf die Lieferkette. So sind z. B. in Fernost und in Norditalien bereits ganze Infrastrukturen zum Erliegen gekommen.
Kommt es infolge der durch die Verbreitung des Coronavirus verursachten Einschränkungen zu Verzögerungen während des Transportablaufs, so dürfte es sich hierbei regelmäßig um höhere Gewalt bzw. um ein unabwendbares Ereignis handeln. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen der Fixkostenspediteur/Frachtführer bei Vertragsschluss nicht wissen konnte, welche Auswirkungen die Verbreitung des Coronavirus auf seine vertraglichen Verpflichtungen haben würde.
Für etwaige Lieferfristüberschreitungen würde der Fixkostenspediteur/Frachtführer daher nicht haften, weil er die dafür ursächlichen Umstände trotz größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen nicht abwenden konnte. Versicherungsschutz bestünde in diesen Fällen nur in Form der Abwehr unberechtigter Ansprüche.
War dem Fixkostenspediteur/Frachtführer hingegen bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nachweislich bekannt, dass es während des Transports zu Einschränkungen kommen kann, die mit dem Coronavirus in Zusammenhang stehen, wird er sich z. B. bei Überschreitungen der Lieferfrist nicht mehr auf Unabwendbarkeit berufen können.
Dies bedeutet, dass der Fixkostenspediteur/Frachtführer für etwaige Lieferfristüberschreitungen haftet, sofern er seinen Auftraggeber bei Abschluss des Verkehrsvertrags nicht ausdrücklich auf die Gefahr hingewiesen hat. Ist der Auftraggeber dennoch an der Durchführung des Vertrags interessiert, sollte der Fixkostenspediteur/Frachtführer einen Haftungsausschluss für Schäden vereinbaren, die in Zusammenhang mit dem Coronavirus entstehen, und zwar am besten schriftlich. Im Fall einer vorbehaltlosen Annahme des Verkehrsvertrags wäre u. U. der Versicherungsschutz des Fixkostenspediteurs/Frachtführers gefährdet.
Mehrkosten, die beim Fixkostenspediteur/Frachtführer für die ordnungsgemäße Durchführung seiner Aufträge anfallen, sind über die Verkehrshaftungsversicherung regelmäßig nicht gedeckt. Diese Kosten kann er aber möglicherweise im Rahmen von Ziff. 17.1 ADSp 2017 gegenüber seinem Auftraggeber geltend machen.
Bei Beförderungs- oder Ablieferungshindernissen hingegen ist der Fixkostenspediteur/Frachtführer verpflichtet, Weisungen von dem Verfügungsberechtigten (in der Regel der Auftraggeber) einzuholen (vgl. § 419 des Handelsgesetzbuchs). Dies trifft natürlich auch auf Beförderungs- und Ablieferungshindernisse zu, die in Verbindung mit dem Coronavirus entstehen.
Es besteht die Möglichkeit, dass Mitarbeiter des Versicherungsnehmers (VN) Personal des Auftraggebers unwissentlich mit dem Coronavirus infizieren. In der Folge könnte es zu Produktionsausfällen bei dem Auftraggeber des VN kommen, weil das Personal unter Quarantäne gestellt werden muss. In diesem Fall ist keine Haftung des VN gegeben, da es an einem Verschulden fehlt. In der Betriebshaftpflichtversicherung würden wir daher lediglich etwaige Ansprüche gegen den VN abwehren.
Anders dürfte der Fall zu beurteilen sein, wenn der VN wusste oder hätte wissen müssen, dass seine Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert sind und er dennoch nichts dagegen unternimmt, dass diese Mitarbeiter in Kontakt mit anderen Personen treten. In diesem Fall wäre eine Haftung des VN gegeben, jedoch könnte sein Versicherungsschutz unter diesen Umständen gefährdet sein.
Ansprüche wegen Personenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des VN entstehen, sind indessen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Voraussetzung für einen ersatzpflichtigen Schaden ist die Beschädigung oder Zerstörung der versicherten Sache (z. B. Büro- und Geschäftsausstattung, Gebäude) in Folge einer versicherten Gefahr.
Ein Virenbefall führt jedoch zu keinem versicherten Ereignis. Daher besteht hier kein Deckungsschutz. Auch in der Allgefahrenversicherung sind Schäden durch Mikroorganismen ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem bestünde Versicherungsschutz ausschließlich für den Sachschaden – und dieser wird vom Coronavirus nicht verursacht.
Nach den „Besonderen Bedingungen zur Sach-Betriebsunterbrechungs-Versicherung“ (BB Sach-BU) ist das Vorliegen eines versicherten Sachschadens Voraussetzung für einen ersatzpflichtigen Betriebsunterbrechungsschaden. Da aber ein versicherter Sachschaden im Falle des Coronavirus nicht vorliegt, besteht auch hier kein Versicherungsschutz.
Derzeit kommt es zu Verzögerungen in der Lieferkette, da Transporte nicht termingerecht durchgeführt werden können. Hierdurch besteht die Gefahr von Verspätungsschäden, weil die Ware nicht zu dem vereinbarten Liefertermin ankommt oder aber die „gewöhnliche“ Transportdauer erheblich überschritten wird.
In der Speditions-Güterversicherung ist der Versicherungsschutz für reine Verspätungsschäden in der „Vermögensschaden-Klausel für Frachtführer/Spediteure“ geregelt. Danach sind Verspätungsschäden nur dann versichert, wenn ein an diesem Transport beteiligter Verkehrsträger im Rahmen eines üblichen Verkehrsvertrags nach deutschem Recht dem Grunde nach für die Verspätung haftet.
Da es sich bei der Ursache von Verspätungen, die Folge der Verbreitung des Coronavirus sind, in der Regel um einen Fall von sogenannter „höherer Gewalt” handeln dürfte, die für den Verkehrsträger (Fixkostenspediteur, Frachtführer, Reeder o. ä.) „unabwendbar“ ist, wäre die Haftung ausgeschlossen (siehe Ausführungen zur Verkehrshaftungsversicherung).
Somit besteht in der Speditions-Güterversicherung und generell auch in der Warentransportversicherung für die infolge des Virus eingetretenen Verspätungsschäden keine Deckung.
Sollte weiterhin die Ware aufgrund der langen Transportzeit zu Schaden kommen (z. B. durch Verderb), besteht für diese Schäden nach den zugrundeliegenden „Güter 2000/2008“ keine Ersatzpflicht, da u. a. Schäden durch eine Verzögerung der Reise sowie durch inneren Verderb oder die natürliche Beschaffenheit der Güter bedingungsgemäß vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind.